23.7.2002
SVG – Die Zukunft der Vektorgrafik im Web
Chris Lilley, offizieller Hüter des W3C-Standards Scalable Vector Graphics
(SVG), nahm es als gutes Omen, dass die Schweiz Veranstaltungsort der ersten
SVG Entwicklerkonferenz war (15.-17. Juli). Die Anspielung auf den Geburtsort
von HTML war denn auch keine Untertreibung: SVG hat das Potential die Welt
der Webgrafiken zu revolutionieren. Dies zeigte die Vielfältigkeit der Vorträge
anschaulich. SVG kann angewandt werden bei interaktiven Karten und Atlanten,
Computerspielen, im Handy oder PDA, natürlich im Web und letztlich sogar
im Printbereich.
Von Roger Fischer

SVG, ein offener Webstandard
Scalable Vector Graphics (SVG) ist seit dem 4. September
letzten Jahres ein offizieller Standard, in der Terminologie des World Wide
Web Consortiums, eine Recommendation. Zurzeit wird an SVG 1.1. und 1.2. gearbeitet
sowie an der mobilen Zukunft von SVG.
Vorteile von SVG
Wie der Name bereits sagt, geht es bei SVG um skalierbare Vektorgrafiken,
im Gegensatz zu Rasterformaten wie JPEG oder GIFs. Der grosse Vorteil dabei
ist: Egal wie gross etwas dargestellt wird, die Informationsmenge, die man
zur Beschreibung benötigt, bleibt immer dieselbe. Dies erlaubt hochkomplexe
Darstellungen mit geringen Dateigrössen, die sich beliebig zoomen lassen.
SVG hat zwei weitere bedeutende Vorteile: SVG-Grafiken sind textbasiert und
somit editier- und durchsuchbar, ein zentrales Kriterium fürs Web der Zukunft,
fürs Semantische Web. SVG ist XML, was es wiederum zur Kombination mit anderen
XML basiertenTechnologien sowie zur Interaktivität via DOM/Javascript befähigt.
Die SVG open / Carto.net Konferenz – ein voller Erfolg
Initiator Andreas Neumann vom Institut für Kartographie (ETH) eröffnete
die dreitägige Konferenz am 15. Juli 2002 an der ETH Hönggerberg. Ihm gegenüber
sassen über 200 gespannt wartende Teilnehmende aus 25 Ländern, mitsamt W3C
SVG Working Group. Nicht ein geringer Teil davon waren Frauen. Nach der Keynote
von Chris Lilley und der nachfolgenden Rede des SVG Editors Jon Ferraiolo
wusste man, dass sich diese Konferenz lohnen würde. Während Lilley das Neueste
im Bereich mobiles SVG direkt an Handy-Beispielen vorführte, zeigte Jon Ferraiolo,
die kommenden grundsätzlichen Veränderungen im Web auf.
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Chris Lilley (Mitte), der Grafikguru des W3C im Gespräch. Neben ihm Vincent Hardy vom Apache Batik Projekt. (Fotos: Roger Fischer) |
Mobiles SVG für alle
Lilley machte darauf aufmerksam, dass der Desktop-Markt zurzeit stagniere
und sich nur noch langsam weiterentwickle. Ein Grund dafür sei, dass die
meisten «Wohlhabenden» heute über einen Desktop- Computer verfügten. Die
Zeit der weitaus erschwinglicheren Kleincomputer wie Mobiltelefone und Pdas
der neuesten Generation habe aber noch gar nicht begonnen. Er unterstrich
auch, dass vor allem die ärmeren Gegenden der Welt hier erstmals breiteren
Zugang zu Webtechnologien erhalten könnten.
Ein Inhalt für verschiedene Endgeräte
Hier setzte auch Ferraiolo ein, wenn er darauf hinwies, dass wir
in einer vernetzten Welt eine Neudefinition des «Dokuments» bräuchten. Bisher
sei ein Dokument immer eine Einheit von Präsentation und Inhalt gewesen,
einmalig einsetzbar und unverwandelbar. In nächster Zukunft müsse ein Dokument
aber bedeutend mehr leisten, der Inhalt müsse sich dem jeweiligen Endgerät,
dem jeweiligen Benutzer anpassen können. Es sei auch klar, dass die Bedeutung
von Cross-Media in Zukunft nur noch zunehmen werde. So riet er den Entwicklern
von neuen architektonischen Lösungen denn auch sich ans Model-View-Controller
Paradigma zu halten. Damit nahm Ferraiolo auf, was alle Entwicklungen um
XML zurzeit prägt: Inhalt/Struktur (Model), Business Logik (Controller) und
Präsentation (View) müssen strikt getrennt werden, ansonsten wird es bald
unmöglich sein, die vielen Endausgabegeräte der Zukunft mit Inhalten zu beliefern.
Paradoxerweise stehen wir laut Ferraiolo zurzeit an einem Scheidepunkt: Im
Desktop-Bereich finden wir nach mehrjährigen Browserkriegen ein quasi Monopol
vor, den Internet Explorer. Die Zukunft wird aber wieder einer Mehrzahl von
Endgeräten bzw. Browsern gehören.
2D Grafik = SVG = JPEG, PNG
Die folgenden Vorträge des ersten Tages zeigten auf, welche Tools
dem SVG-Interessierten heutzutage zur Verfügung stehen. So wurde auch das
Open Source Projekt Batik vorgestellt, neben dem Adobe SVG Viewer das wohl
wichtigste SVG Tool. Mit Batik kann man SVG generieren, verändern und anschauen.
Vorteile von Batik sind der SVG Generator, der einem erlaubt, aus 2D-Grafiken
SVGs zu machen, sowie der Rasterizer, mit dem aus SVGs JPEGs oder PNGs generieren
kann. Damit erreicht man auch Personen, die zurzeit noch keinen SVG Viewer
installiert haben.
Das W3C wird fassbar
Zum Abschluss des Tages präsentierte Dean Jackson vom W3C die aberwitzigsten
SVG Animationen und Spielereien und brach damit endgültig das Eis, obwohl
die Icebreaker Party noch nicht einmal begonnen hatte. Diese krönte mit einer
Schifffahrt auf dem Zürichsee den Abend. Die Stimmung war bestens – man kann
ja auch nicht jeden Tag einen solch direkten Einfluss auf ein so wichtiges
Projekt wie SVG nehmen.
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Tyng-Ruey Chuang von Institute fo Information Science, Academica Sinica, stellt seine «Taiwan Social Map» vor. |
Webmapping, GIS/GML/GPS
Am folgenden Tag kehrte man deshalb mit grossem Enthusiasmus an die
ETH Zürich zurück– und hatte die Qual der Wahl, denn es standen jeweils zwei
Vorträge gleichzeitig auf dem Plan. Einer der beiden Tracks war den Geographen
und Kartographen gewidmet. Einige Leckerbissen waren Andreas Neumann mit
seiner Interaktiven Topographischen Karte vom Türlersee sowie André Winters
Atlas of Tyrol. Auch Marco Siebers Internet Atlas der Zentralprovinz in Sri
Lanka sowie Chang Yi-Hong und Tyng-Ruey Chuangs Taiwan Social Map zeigten
interessante Anwendungen. Sieber zeigte, dass SVG gerade in ärmeren Ländern
dieser Welt viele Vorteile bringt: Im Vergleich mit anderen Tools ist SVG
interaktiv, einfach und günstig in der Erstellung und vor allem ohne teure
Hardware nutzbar. Mit grossem Interesse wurde auch der Vortrag von Shimada
Shigeru von Hitachi aufgenommen: In Japan gibt es bereits Handys mit denen
man interaktiv im Dickicht der Städte navigieren kann. Die aktuelle Position
des Benutzers wird via GPS im Handydisplay auf einer dynamischen SVG-Karte
angezeigt.
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Jun Fujisawa (links) und Alex Danilo präsentieren die Vorteile von SVG im Printbereich. |
SVG: Page Description Language und UI Controls
Eine hochinteressante Entwicklung wurde von Fujisawa Jun und Alex
Danilo, Canon, vorgestellt: SVG als Page Description Language für den Printbereich.
Interessant war vor allem, wie eine Kombination von Layoutsprachen wie XSL-FO
und eine exakte Präsentationssprache wie SVG zu einem überzeugenden Ganzen
zusammenwachsen und so proprietäre Systeme wie QuarkXPress in Bedrängnis
bringen könnten. Nach diesem Vortrag standen etwa 15 Mitglieder der SVG Working
Group den Teilnehmern Rede und Antwort. Ein wichtiges Thema war hier die
User Interface Controls. Zurzeit werden diese ja mehr oder weniger durch
HTML vorgegeben. Mit SVG kann man diese nun seit Neuem selbst gestalten.
Das Publikum forderte deshalb, dass das Thema User Interface Controls auch
Eingang in die SVG Spezifikation finde.
Ende und Aussicht
Die Konferenz ging mit dem Vortrag «Collaborating to Put SVG on the Map»
von Mike McCullough vom Citizen Computing Institute zu Ende. McCullough illustrierte
mit seiner «Cancer Alley»-Karte, wie wichtig SVG gerade auch für Bürgerinitiativen
sein kann. Deshalb sei SVG noch verstärkt zu promoten. Das Wichtigste dabei:
SVG sollte so bald wie möglich mit jedem Browser lesbar sein, natürlich ohne
Plugin- Download.
In der anschliessenden Diskussion mit den
Teilnehmenden wurde auch auf die wichtige Rolle der Presse sowie von User
Groups und Mailinglisten hingewiesen. Wichtig sei zudem die Überzeugungsarbeit
bei Webdesignern und Flash-Spezialisten, diese hätten SVG bis jetzt noch
nicht genügend wahrgenommen. Doch wie Dean Jackson vom W3C kürzlich einen
Artikel betitelte: SVG is on the rise, SVG ist im Aufwind.
Roger Fischer ist Geschäftsführer der Bitflux GmbH und XML-Evangelist.
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